Mittwoch, 13. Mai 2009

Ist Grundwissen nötig?

Ich habe mich heute bei der Mittagspause mit einer Kollegin unterhalten, die für eine Partei im Rahmen der ÖH-Wahlen antritt. Was für eine Partei das ist, ist irrelevant - dieses Phänomen zieht sich durch alle Parteien der Studentenvertreter. Das kann ich mit Bestimmtheit sagen.
"Kann der Papst verhaftet werden?" Wenn er zum Beispiel betrunken bei seinem Israelbesuch im Papamobil herumkurvt. Eine lustige Frage, kann man das? Nun, ich war dagegen - der Papst kann nicht verhaftet werden. Wobei ich aber den Papst nicht in seiner Figur als Heiligen Stuhl sehe, sondern als Repräsentant und Präsident des Vatikanstaates sehe. Insofern wird der Papst (wahrscheinlich) unter einer diplomatischen Immunität stehen, und Israel würde - wenn es sich in diesem Fall das träue (Konjunktiv von trauen?) - ihn zur "persona non grata" erklären.
Dann kam etwas, was ich nicht verstanden habe.
"Was ist diplomatische Immunität?"
"Was ist persona non grata?"
"Warum macht man Gesetze, die Menschen über das Gesetz stellen?"
Ich habe gedacht, dass das Ganze ein Scherz sei und in einer Grundsatzdiskussion enden sollte, aber die Frage war vom Wahlkandidaten ehrlich gestellt. Gut, ich habe grundsätzlich erklärt, was die diplomatische Immunität bedeutet und warum sie wichtig ist. Wie sie verliehen wird, welche Aufgaben sie bindet und wie sie aberkannt werden kann. Aber was mich viel mehr verwundert ist, dass eine politisch engagierte Person nicht einmal die Grundzüge des Rechts, der Diplomatie und der Justiz kennt.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mich wundert dieses Nicht-Wissen nicht mehr. Es ist cool, es ist akzeptiert, es ist die Norm. lg teacher

tobi hat gesagt…

Aber ich weigere mich das zu akzeptieren. Einerseits: Das sind Abiturienten. Ich kann erwarten, dass jemand, der Abitur hat sich in diesen Dingen grundlegen auskennt. Wenn nicht - es gibt genügend Literatur.
Ich hatte einen Sturmfan als Geo/Wirtschafts-Lehrer und einen noch unfähigeren Lehrer für "Geschichte und politische Bildung". All die Dinge, die ich heutzutage weiß, weiß ich aus Atlanten, Lexikas, Wikipedia, Sachbüchern, Kodizes etc.

Und was mich noch viel mehr wundert: Ich habe hier einen Studenten vor mir, jemanden der akademisch arbeitet. Und der eine politische Funktion ausüben will. Wie kann ich denn bitte eine politische Funktion ausüben, wenn ich keine Ahnung davon habe. Ich dachte, das wäre bei gewählten Parlamentariern, die sich knapp durch die Pflichtschule gehangelt haben so - aber ich wahr wohl etwas... blind. Da krankt ja was gewaltig.

jokerine hat gesagt…

Sorry, aber als Kandidatinn für den örtlichen Gemeinderat, muss ich mich nicht mit dem für und wider der diplomatischen Immunität beschäfftigen. Es gibt wichtiges politisches Grundwissen, sowas wie "was ist demokratie" "wie funktioniert das mit dem Grundgesetz eigentlich", aber nicht alles ist wichtig zu wissen. Und ob der Papst in Israel verhaftet werden kann ist doch irrelevant, oder?

Du darfst nicht vergessen, dass die meisten lokalen PolitikerInnen FreizeitpolitikerInnen sind, so wie ich. Da bleibt öfter mal was weg und ist verschwommen.

tobi hat gesagt…

Ob der Papst nun verhaftet werden kann ist irrelevant; das war nur die Frage, aus der die Situation mit der Immunität entstand.
Aber auch die "diplomatische Immunität" gehört dazu, denn als die Frage "Warum gibt es Gesetze, die andere Menschen über das Gesetz stellen?" auftauchte, war mir zumindest klar, dass das Wesen der Immunität komplett falsch verstanden wurde.
Das was mich mehr irritiert hat war, dass das Unwissen, mit dem von der anderen Seite aus daran gegangen wurde. Es war kein Wille da, etwas mehr wissen zu wollen. Kann ich denn etwas bewerten und kann ich mir über etwas meine Meinung bilden, wenn ich mich darin nicht auskenne.
Das ist nämlich der Punkt, in dem ich die österreichische Politik verfluche. Da sei jetzt nur die Forderung aufgezählt die Grundsteuer zu erhöhen um die Mittel- und Kleinverdiener zu entlasten. Das sich "nicht auskennen" scheint bei uns nämlich für niemanden ein Hindernis dafür zu sein, wichtige Entscheidungen zu treffen.

hat gesagt…

"Das sich "nicht auskennen" scheint bei uns nämlich für niemanden ein Hindernis dafür zu sein, wichtige Entscheidungen zu treffen."

- Jep. Leider. Alleine immer diese absurde Situation, dass Abgeordnete (im Parlament) viele Gesetzesanträge wohl kaum überfliegen, weil sie ja 'sowieso' mit ihrer Fraktion mitstimmen 'müssen'. Da könnte man gleich nur fünf Maxln hineinsetzen und dem einen halt 5 und dem anderen 10 'Stimmen' zugestehen... :-S
Dein Beispiel mit der Studierendenpolitikerin finde ich insofern besonders bedenklich, weil ich auch gedacht hätte, dass eine Grunddefinition von "diplomatischer Immunität" zum Allgemeinwissen gehört. Weil jokerine das angesprochen hat - so etwas gehört für mich auch zur grundsätzlichen Definition von Demokratie, weil dadurch ja politische Willkür an legitimierten Vertretern anderer Staaten verhindert werden soll.

P.S.: Ich glaube, es heißt "traute". Bin mir aber auch nicht ganz sicher.